Ich bekomme ein Baby…
…in 6 Schritten am Jungfraumarathon!
Schritt 1: Sex
Ich hoffe, dass bei Ihnen, lieber Leser/in der Sex etwas Aufregendes, Befriedigendes und Lustvolles ist. Genau so fühlten wir uns bei der Anmeldung im Januar 2018 zum Jungfraumarathon. Die Lust, mit 3’999 anderen Läufer/innen den Berg zu erzwingen. Die Befriedigung am Schluss nach 42.2 Kiloemter und 1’820 Höhenmeter von Interlaken nach Lauterbrunnen, hoch nach Wengen zur kleinen Scheidegg ins Ziel zu kommen. Die Aufregung, nochmals dieses Abenteuer zusammen zu erleben.
Schritt 2: Erste Schwangerschaftsmonate
Wie auch in der Schwangerschaft sind die ersten Wochen easy – ausser vielleicht etwas Übelkeit. Die Vorfreude ist enorm. Die ersten Trainingswochen liefen gut. Ein paar langsame Einheiten um den Flughafen und dazu ein paar Bergläufe nach Brütten – alles im normalen Rahmen.
Schritt 3: Letztes Schwangerschaftsdrittel
Die Schwangerschaft nimmt Formen an: langsam wird der Bauch dick und wir fühlen uns unförmig. Das Kind nimmt den Organen den Platz und wir Frauen fühlen uns unter Druck. Der Trainingsdruck bei uns war ganz ähnlich. Der September kommt näher aber durch den heissen Sommer war die Motivation dementsprechend klein, lange Läufe bei brütender Hitze zu absolvieren. Die sozialen Pläne rund ums Weekend mussten gut organisiert werden.
Schritt 4: Die Fruchtblase platzt
Es ist soweit. Die Fruchtblase kündigt den Start der Geburt an! Was könnte da passender sein wie der Startschuss zum Marathon am 8. September 2108 um 08:30 auf dem Platz vor dem altehrwürdigen Hotel Victoria-Jungfrau mit einer herrlichen Bergkulisse im Hintergrund. Endlich dürfen wir los! Das lange Warten hat ein Ende und der langersehnten Startschuss gab uns das «Go». Der Hormonmix aus Adrenalin und Dopamin aber auch ein Gefühlschaos aus Angst, Respekt und Vorfreude ist absolut vergleichbar mit der Einleitung einer Geburt.
Schritt 5: Die Wehen
Wie bei einer Geburt, bei der sich das Kind drehen muss um sich durch den Geburtskanal zu quetschen fühlten sich die Muskelkrämpfe bei Kilometer 32 an. Bei Kilometer 35 mussten wir dem Arzt nach einer Puls- und Blutdruckkontrolle versprechen, dass wir uns nicht überanstrengen dürfen. Wie die Hebamme bei der Geburt die Mutter motiviert, so haben uns die beiden Begleiter bei Kilometer 37 auch extrem motiviert. Das Motto war: Nicht stehen bleiben!
Schritt 6: Das Baby ist da!
Ich erinnere mich an die beiden Geburten meiner Söhne, unterdessen bereits 13 und 10 Jahre alt. Das paar Sekunden junge, gesunde Menschlein in den Armen zu halten ist pures Glück und kaum an Emotionen zu übertreffen. Die Überquerung der Ziellinie nach 6 Stunden und 37 Minuten auf der kleinen Scheidegg mit Tränen in den Augen, meine Freundin an der Hand und ein unbeschreibliches Glücksgefühl, unbändiger Stolz und soooooo unendlich froh und dankbar, den Berg bezwungen zu haben!
Okee, ich gebe zu. Der Vergleich, eine Medaille mit einem frischgebackenen Baby zu vergleichen, hinkt ein bisschen…. Aber hey, meine Medaille schreit nicht, muss nicht gewickelt werden noch bringt sie mir schlaflosen Nächte 😉